Erinnerungen
Warstade mit seinen ca. 2.000 Einwohnern war der Mittelpunkt
meiner Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenalter und ist insofern immer
noch meine Heimat. Dorthin, am Rande des Urstromtals der Elbe, zwischen
Marsch und Geest gelegen, hatte es unsere Familie in den Nachkriegswirren
verschlagen. Meine Eltern haben den zwangsweisen Wechsel aus ihrem
Lebenskreis in Berlin in das kleine niedersächsische Dorf Zeit ihres Lebens
nie ganz verwunden, aber für mich war es eben der Lebensmittelpunkt, den ich
nicht anders haben wollte.
Der Start für unsere Familie nach der Flucht meiner Mutter mit uns 5 Kindern
aus der sowjetischen Besatzungszone im Winter 1948 war denkbar schlecht. Mein
Vater, nach Krieg und Internierungslager in Warstade gelandet, musste als
Graphiker und Journalist anfangs sogar mit Torfstechen seinen Lebensunterhalt verdienen. Es war für ihn unmöglich,
sich zu dieser Zeit und in dieser dörflichen Umgebung in seinem alten Beruf
eine Existenz aufzubauen. So kenne ich meinen Vater
eigentlich nur als Reisenden nach Hamburg und Stade, wo er mit Hilfe alter
Freunde bescheidene Aufträge in verschiedenen Verlagen erhielt. Ansonsten
verschwand er in seinem Zimmer, wo er von morgens bis abends wühlte, und
tauchte immer nur kurz zu den Mahlzeiten auf. So war unser Leben
jahrelang von Hunger und Entbehrung geprägt, und der Kampf ums tägliche Brot
bestimmte das Leben. Und trotzdem: ich hatte eine schöne Kindheit, denn als
Kind empfindet man die Last des Alltags nicht so wie die Erwachsenen. Und mit
der Zeit entstand ja auch eine Aufbruchstimmung im Land, die alle Menschen
erfasste. Die Verhältnisse besserten sich von Jahr zu Jahr, und schon bald
ging es nicht mehr ums nackte Überleben, sondern um bescheidenen Wohlstand.
Diese Zeit, die mich von meinem 5. Lebensjahr bis zum Erwachsenenalter
geprägt hat, soll im Mittelpunkt der Warstader Geschichte(n) stehen, die ich
nach und nach in diese Website einstellen werde. Ich würde mich freuen, wenn
mir alte Freundinnen und Freunde, die diese Geschichten lesen, hierzu noch
weitere Anregungen geben würden.